Auf der Art Basel 2022 präsentiert die Galerie Knoell eine retrospektive Auswahl an Werken von Meret Oppenheim (1913-1985), der führenden Vertreterin des Surrealismus und eine der wichtigsten Schweizer Künstlerinnen der Nachkriegszeit. Unter dem Titel Super.natural gibt die Präsentation einen Einblick in die Quintessenz von Oppenheims künstlerischem Schaffen über nahezu ein halbes Jahrhundert, von den 1930er bis in die 1970er Jahre.

Als Meret Oppenheim im Alter von achtzehn Jahren nach Paris zog, wurde sie bald im Kreis von Künstlern wie Alberto Giacometti, Max Ernst, Jean Arp, Man Ray und Marcel Duchamp aktiv. Als erste Künstlerin, die mit der surrealistischen Gruppe in Verbindung gebracht wird, trug sie wesentlich zum Surrealistischen Manifest bei. Auf Bretons Einladung hin nahm sie mit ihrem ikonischen Objekt – der Pelztasse Déjeuner en fourrure - an der ersten surrealistischen Ausstellung von 1936 teil. Als Alfred H. Barr es bei der Eröffnung entdeckt, erwarb er es sofort für das Museum of Modern Art in New York.

Obwohl sie als Frau bei der Verwirklichung ihrer künstlerischen Arbeit im zwanzigsten Jahrhundert auf grosse Hindernisse stiess, hat Meret Oppenheim ihr Leben lang an ihrer Karriere festgehalten. Neben dem Vermächtnis als Künstlerin hat ihre Laufbahn zahllose Künstlerinnen und zeitgenössische Kulturschaffende inspiriert, und sie ist in der Tat zum allgemeinen feministischen Vorbild geworden. Dazu trug nicht zuletzt auch ihre viel beachtete, 1975 in Basel gehaltene Rede bei, in der sie die Herausforderungen und Benachteiligungen, mit denen sie als Frau in der Kunstwelt konfrontiert war, deutlich zum Ausdruck brachte. Auch der im selben Jahr publizierte Austausch mit Valie Export trug wesentlich zu ihrer Rolle als Feministin bei.

Die Präsentation der Galerie Knoell auf der Art Basel 2022 bietet einen retrospektiven Einblick in ihr Schaffen, auch im Hinblick der grossen Oppenheim-Ausstellung,die 2021 im Kunstmuseum Bern eröffnet wurde, dann in die Menil Collection in Houston wanderte und 2022 im MoMA in New York gezeigt wird. Darüber hinaus sind Oppenheims Arbeiten Teil der von Cecilia Alemani kuratierten Biennale di Venezia 2022.

Oppenheims Fähigkeit, die Natur zu transformieren oder zu transzendieren, indem sie diese buchstäblich in durch die Sphären des Übernatürlichen führt, zeigt sich auch in den zahlreichen Anspielungen auf magische und alchemistische Zusammenhänge, zum Beispiel in Das Zelt des Zauberers (1945) und in der paradigmatischen Collage Hier wohnt die Hexe (1956), die einen zentralen Bestandteil der Präsentation bildet. Eine spätere Collage, Tombant du Ciel, (Sturz vom Himmel, 1969) zeigt schliesslich, dass die Schnittstelle zwischen dem natürlich-irdischen und dem übernatürlich-sinnlichen nicht nur im Sinne einer Sublimierung zu denken ist, sondern umgekehrt auch die Form eines Sturzes nach unten annehmen kann. Der Sturz aus dem Himmel erinnert an den antiken Mythos des Ikarus,der mit seinem Wagen vom Himmel stürzt nachdem er der Sonne zu nahe kam. Dass diese Gegenüberstellung von Natürlichen und Übernatürlichen auch auf die beiden Geschlechter übertragen werden kann, ist für eine Künstlerin wie Meret Oppenheim von zentraler Bedeutung. Im Zeitalter der Hexenverfolgung war es gerade die Figur der Hexe, die die Gesellschaft zu verbannen versuchte – und mit ihr die Verkörperung einer Weiblichkeit, die die patriarchale Ordnung störte und bedrohte.